B wie Baustellen

Wir bauen gerade ein altes Haus um und sanieren es. Die Baustelle wurde 1 Jahr und 10 Monate später eröffnet als wir es geplant hatten. Dann lief es vier Wochen reibungslos. An einem Samstag aber standen wir mit sechs Handwerkern auf dem Grundstück, weil sich herausstellte, dass die Abwasserrohre nicht so verlegt wurden wie geplant und sich damit etliche Probleme auftaten. Jeder, der schon einmal umgebaut, saniert oder neu gebaut hat, weiß wovon ich rede.
Ach, eigentlich kennt dies auch jeder, der mitten im Leben steht, dafür muss man gar nicht Bauherrin sein:

Es gibt eine Aufgabe und eine Planung zur Durchführung, aber die Umsetzung erfolgt nicht danach.

Nun müssen Lösungen für Probleme her, von denen man vorher nichts ahnte. Und zeitlich läuft auch alles aus dem Ruder.

Auf unserer Baustelle hat niemand lang palavert. Das liebe ich an Handwerker, die sind so praktisch veranlagt:
„Gut, es gibt ein Problem, wie packen wir das jetzt an?“.

Kein langes Suchen nach dem Verantwortlichem oder gar Schuldigem, dafür Entscheidungen und Tatkraft.
Weiter geht’s. Denn alle wollen fertig werden und dass die Aufgabe gemeinsam gut erledigt wird, wollen am Ende sagen können: „Sieht gut aus“!

Wenn wir mit unseren beruflichen und privaten Baustellen auch so umgehen, sparen wir uns eine Menge gedanklicher Umwege. Aber das klappt nur manches Mal, denn das Zusammenspiel unserer Psyche, Seele und unseres Geistes verläuft nicht linear. Eher chaotisch, wenig berechenbar und auf jeden Fall komplex.

So sehr ich die Schlichtheit pragmatischer Lösungen liebe, schätze ich es auch,
Komplexität aufzulösen.

Das ist der aufregendste Teil meiner Arbeit als Coach und Beraterin.

  • Wie bringen mein*e Gesprächspartner*in und ich die ineinander verwobenen Fäden eines „Problems“ wieder in eine überschaubare Struktur?
  • Wie lösen wir Knoten auf?
  • Was gehört zum chaotischen System und darf nicht übersehen werden?
  • Welche zunächst nicht überwindbaren Schwierigkeiten sind Teil der Lösung?

Ich liebe es, wenn aus Baustellen etwas entsteht: Häuser, in die man endlich einziehen kann.
Klarheit, die sich auf einmal einstellt. Eine neue Haltung, mit der man weiter machen kann.
Am Ende eines gelungenen Coachingprozesses lässt sich ebenso wie auf dem Richtfest eines Hauses sagen:
„Sieht gut aus!“.

Jetzt geht es an den Innenausbau oder im Leben um die Umsetzung.

Wie setze ich meine neuen Einstellungen und Erkenntnisse in Handlung um?

In dem ich mich dazu entscheide, sie anzuwenden!

 

Das neue „Handwerkzeug“ will eingesetzt und ausprobiert werden.
Dabei stelle ich mich zu Beginn vielleicht noch ungeschickt an, aber je öfter ich es zum Einsatz bringe, desto schneller wird es zu einer neuen Gewohnheit.
Ich erlebe, dass Coachees nach einer Sitzung, in der eine neue Überzeugung erarbeitet wurde, in die nächste freudestrahlend kommen und mir von ihren Erfolgen berichten.
Sie verhalten sich mutiger und sind für sich eingetreten.

Aber ich erlebe auch, dass Coachees in der nächsten Sitzung mir auf meine Frage, was sich verändert habe, antworten: „Nichts“.
Auf meine zweite Frage, ob sie die gewonnene Klarheit denn auch in Taten umgesetzt haben, folgt wiederum ein „Nein“.
Dann weiß ich, dass wir an ihrem Committment zu sich selbst arbeiten müssen… das ist eine neue Baustelle, über die ich im nächsten Artikel schreiben werde.


Die Autorin