W wie Wut

Wut ist ein mächtiges Gefühl, durch das viel Energie freigesetzt wird, wenn man und frau sie zu steuern weiß. Die mutigen Frauen und Männer der iranischen Revolution sind genau dafür ein leuchtendes Beispiel. Denn „schon vor Mahsa Jina Amiris Tod hatte es Berichte über gewaltsame Konfrontationen zwischen Polizisten und unverschleierten Frauen im Bus oder auf der Straße gegeben. In der Gesellschaft zeigte sich – sowohl online als auch bei persönlichen Kontakten – eine verwirrte, wütende und verzweifelte Stimmung. (…) Mahsas Ermordung war die Folge einer Politik tödlicher Unterdrückung, mit der das Regime die Gesellschaft unter Kontrolle halten wollte; ein Teil seiner Strategie zur Unterdrückung von Frauen im Besonderen und zur Zerstörung der Individualität der Bürgerinnen und Bürger im Allgemeinen.“ (Zitat von Farangiss Bayat in der ZEIT vom 16. September 23)
Die verwirrte Stimmung der iranischen Protestbewegung ist in eine kraftvolle, unfassbar mutige umgeschlagen. Junge Menschen, insbesondere Frauen die sich weigern das Kopftuch zu tragen, riskieren täglich Gefängnis und Folter, lassen sich jedoch nicht in ihrem Aufbegehren stoppen. Wir in Sicherheit und Freiheit lebenden Deutschen verharren bei Gefühlen von Ungerechtigkeit oftmals in einem nebulösen Zustand von Empörung und/oder hilfloser Wut. Damit bleibt der kraftvolle Teil von Wut jedoch im Körper stecken, spürbar als Müdigkeit, Lethargie, manchmal auch als Vorboten einer Depression.

Wie lässt sich die Energie von Wut in Kraft verändern? Wenn ich Frauen im Souveränitätstraining oder im Coaching erlebe, muss ich ich oft feststellen, dass Ärger und Wut nicht ausgedrückt werden dürfen, dass Fremdbewertungen wie „Sei nicht so emotional“ stark wirken. Frauen ist der Zugang zu diesen beiden Gefühlen nicht einfach gestattet worden, im Gegensatz dazu haben Männer oftmals keinen Zugang zu anderen Emotionen als Ärger und Wut. Eine Krux in der Kommunikation der Geschlechter, aber das ist ein anderes Thema!

  • Der 1. Schritt besteht also in der Erlaubnis, Ärger und Wut zu fühlen und nicht, wie es oft geschieht, als negativ konnontierte Gefühle wegzudrücken. Denn damit verbleiben sie im Körper und führen zu Verspannungen im Gewebe, aber auch im Geist😉, s.o.
  • Das Fühlen muss zudem in eine Bejahung münden, also dahin, dass die ärgerlichen oder wütenden Gefühle berechtigt sind als Reaktionen auf den Spruch oder die Unverschämtheit eines Gegenübers. Wenn eine Frau diese innere Hürde überwunden hat, kann „ihre Energie frei fließen“, wie es in Körpertherapiesprache heißt. Und diesem Fluss darf frau dann einen Ausdruck geben, also z.B. indem sie ihren Körper aufrichtet, „Stopp“ ruft, unfreundlich schaut und an den passenden Worten feilt.
  • Diese Reaktionskette ist für Frauen i.d.R. keine gewohnte und kann erst einmal in unverfänglichen Situationen geübt werden. Mein Lieblingsübungsort ist die Supermarktkette vor einer Kasse. Wird eine zweite geöffnet, schnellen immer mal wieder hinter einem Stehende nach vorn und platzieren ihre Waren auf dem 2. Band. Ein eindeutiges „Stopp – ich war vor Ihnen dran“ und ein beherzter Körpereinsatz, nämlich sich vor die anderen zu stellen, wirkt immer. Entweder erntet frau Empörung oder eine Entschuldigung, beides nehme ich freundlich zur Kenntnis. Je mehr frau übt, desto einfacher wird es in entscheidenden Situationen, dem Ärger Ausdruck zu verleihen.
  • Brüllen oder schlagen sind ebenfalls wichtige Ausdrucksformen für die Selbstverteidigung – für beide Geschlechter – doch solange wir noch weitgehenst frei von Gewalt leben, müssen wir auch keine gegen andere ausüben. In Situationen der Not sind sie überlebenswichtig und sollten deshalb auch zuvor geübt werden, entweder zuhause oder in einem geschützten Übungsraum mit einer Gruppe (Selbstverteidigung, Mannschaftssportarten, Raufen / Playfight, Bioenergetik uvm. werden dafür angeboten).